Sagen, Uckermärkische

Das Kreuz bei Ellingen

Nicht weit von Ellingen steht hart an der Chaussee ein granitenes Kreuz etwa von drei Fuß Höhe, das soll lange vor dem Franzosenkrieg dorthin gesetzt sein und zwar sagen die einen, daß dort ein Paar Riesen einander todt geschoßen, von denen der eine auf dem ellingischen Felde gestanden, der andere aber von Klinkow oder Blindow hergekommen wäre; andere aber sagen wieder, es seien ein Paar Offiziere oder Kürassiere gewesen die dort gestorben, und endlich sagen noch andere, es sei ein großer General gewesen, der dort gefallen.


Das Steinkreuz vor Lübbenow
 
Vor Zeiten, als Wald, Weide und Wasser ungleich mehr Wert hatten als bebauter Acker, lebten in zwei uckermärkischen Dörfern auf halbem Wege zwischen Prenzlau und Strasburg die ehrenfesten Ritter von Vorenholt. Der eine hatte außer Acker, Wiesen, Vieh und Hufenbauern einen wunderschönen See, an dessen Sonnenseite er den Wohnhof seiner Vorfahren hegte und pflegte. Der andere hauste im nahen und wüsten Vorenholt mehr schlecht als recht. Oft genug mußte er in der alten Kirchenruine vor Feinden Schutz suchen. Sein einziger Reichtum war ein guter Föhrenwald am Kienberg. Manchmal fand er sich bei seinem Vetter, der den schönen See besaß, zu Besuch ein. Obwohl sich beide nicht recht leiden konnten, tranken sie hin und wieder ein gutes Bier im Krug.
Einmal, als die beiden Ritter wacker zechten, brachte der arme Fahrenholzer die Rede auf den See und sagte: "Du weißt, es ist Fastenzeit. Gib mireinen Korb Fisch. Du hast einen guten See, dein Fischer macht fünf Züge mit dem Netz, das bringt Fisch im Überfluß!" Der andere aber sprach: "Als ich von dir gutes Holz zum Bau meiner Kirche wollte, sagtest du, kauf dir welches. So sage ich nun: Kauf dir Fisch!" Zornig nahm darauf der arme Fahrenholzer sein Wams vom Hocker, schritt zur Tür und schlug sie dröhnend hinter sich zu. Draußen im Ausspan löste er das Zaumzeug vom Ring, schwang sich in den Sattel und gab seinem Schimmel die Sporen. Als der Hecht im seichten Wasser des Sees stand, dort, wo die hellen Birkenstämme bis ans Schilf reichen und das zarte Grün mit dem dunklenBlau und hellen Gelb fröhliche Dreieinigkeit feierte, gewahrte der Fischer des reichen Fahrenholzers, daß einige Hechtköpfe auf den leicht mulmigen Grund des Sees gesunken waren. Er legte sich einige Tage auf die Lauer, ließ den Kahn absichtlich am Ufer halb im Wasser liegen, den Fischspeer wie achtlos neben dem Staken. Es währte auch nicht lange, da sah er eines Morgens, wie der arme Fahrenholzer den Kahn vorsichtig ins klare Hechtwasser stakte.
Der Fischer eilte zu seinem Herrn und erzählte hastig, was am See vorging. Beide liefen zur Kahnanlege, sprangen in das Boot des reichen Fahrenholzers und ruderten nach Kräften auf den Fischräuber zu. "Du willst wohl, daß ich deine Föhren fälle," rief erbost der reiche Fahrenholzer. Und als er sah, daß schon einige kapitale Hechte auf dem Kahnboden lagen, forderte er, der Fischräuber solle an Land staken und die Hechte herausgeben. Der arme Fahrenholzer glitt gemächlich mit dem Kahn zum Ufer. Als beide Kähne in den Sand schnitten, zog der Fischräuber sein Jagdmesser, hieb den Hechten die Köpfe ab, einem nach den anderen, warf die kopflosen Fische ins Schilf, zeigte auf die Hechtköppe im Kahn und sagte: "Da, Vetter, nimm´ dir die Reste!" Er stieg aus dem Kahn, sprang auf seinen Schimmel und trabte ohne Eile davon. Da ergrimmte der Herr des Sees gewaltig. Er nahm den Hechtspeer, ließ seinen edlen Rappen satteln und galoppierte hinterher. Kurz hinter dem Dorf erblickte er den Fischräuber.
In vollem Ritt holte er mit dem Speer weit aus und schleuderte ihn wohlgeübt auf den Rücken des Fahrenholzers. Dieser stöhnte laut auf, beugte sich vornüber und glitt dann willenlos von seinem Schimmel. Von seiner schweren Wunde erholte er sich nicht und verstarb vor der Zeit. An der Stelle aber, wo er vom Pferd gesunken war, errichtete der reuige Sohn des gewalttätigen Vetters nach Jahren ein Sühnekreuz, das mehr als 100 Jahre Vorübergehende an die böse Tat erinnerte. Doch eines Tages war das Steinkreuz vor Lübbenow verschwunden. Kein Mensch hat es je wieder gesehen.


Der Altarstein

Zwischen dem Dorfe Lunow und dem Amt Neuendorf, irre ich nicht, so ist’s gerade auf der Gränze, steht ein Granitblock von etwa vier Fuß Höhe und etwas geringerer breite, der heißt der Altarstein und führt die etwas verwitterte Inschrift Ao. 1602. AS. LVN., die in den Stein gehauen ist. Davon erzählt man, hier an dieser Stelle sei die Lunowsche Glocke gegossen worden, und seien dazu ein Meister und sein Lehrbursche hergekommen. Der Meister habe aber vergebliche Versuche gemacht, um das rechte Gemisch zu treffen, und es habe ihm immer nicht recht gelingen wollen. Da sei er fortgegangen nach Oderberg, noch etwas zur Glockenspeise herbeizuholen, und während deß habe der Lehrbursche den Guß versucht, der ihm glücklich gelungen. Als nun der Meister zurückgekehrt, habe er sich gewaltig erzürnt und in der Hitze seinen Gesellen erschlagen. Darum habe man zum Andenken den Stein hierher gesetzt und auch die Geschichte darauf geschrieben, es sei aber in einer fremden und unbekannten Schrift, die bis heute noch kein Mensch habe entziffern können.


Der Tabak

Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts wurde der Tabakanbau durch französische Emigranten in der Schwedter Gegend eingeführt. In einer alten Sage heißt es, den Tabak habe der Teufel erfunden, aber kein Mensch habe den Namen des Krautes gekannt, bis er auf folgende Weise ruchbar wurde.
Ein Bauer sah eines Tages, wie der Teufel ein großes Stück Land bepflanzte. Der Bauer, der das Kraut nicht kannte, wurde neugierig und fragte: “Was ist das, Teufel, was du da pflanzt?” “Das rätst du dein Leben nicht”, sprach der Teufel. Das verdross den Bauern und er rief: “Was du weißt, weiß ich auch. So klug wie du, bin ich noch immer!” - “So? Wollen wir wetten?”, fragte der Teufel. “Wenn du in drei Tagen den Namen des Krautes errätst, so gehört dir das ganze Land und alles, was darauf steht. Wenn nicht, verfällst du mir mit Leib und Seele!” Der Bauer ging auf die Wette ein. Doch schon auf dem Heimweg fiel ihm das Herz in die Hose. Als er zu Hause angelangt war, setzte er sich traurig nieder und nahm weder Speise noch Trank zu sich. Als ihn die Bäuerin fragte, erzählte er ihr alles, wie es gekommen war. Da sagte die Alte: “Wenn’s weiter nichts ist! Den Namen des Krautes will ich dir schon erraten. “Sprach’s, zog sich aus und kroch in die Teertonne. Dann schnitt sie ein Bett auf und wälzte sich in den Federn. Danach ging sie auf das Feld, das mit dem fremden Kraut bepflanzt war, und lief zwischen den Furchen auf und ab und neigte den Kopf zur Erde, als wolle sie von den Blättern fressen. Kaum aber hatte das der Teufel bemerkt, lief er zum Haus hinaus, um den großen Vogel zu vertreiben. Er klatschte in die Hände und rief: “Tschuch, du großer Vogel! Willst du aus meinem Tabak heraus! Tschuch! Tschuch!” Die Frau aber hatte an diesen Worten genug, eilte nach Hause und erzählte dem Manne, wie der Teufel das Kraut genannt hatte.
Als nun der dritte Tag kam, freute sich der Teufel schon, eine Seele gewonnen zu haben und lachte über das ganze Gesicht und fragte den Bauern, wie das fremde Kraut hieße. “Das ist der Tabak”, gab ihm der Bauer zur Antwort. Da hatte der Teufel seine Wette verloren und musste ohne die Seele in die Hölle zurück. Der Bauer aber bekam das große Stück Land mit dem Tabak darauf.
Damit hat aller Tabakanbau in der Welt seinen Anfang genommen.


Der tolle Markgraf und die Pastoren

Eine eigenartige Abneigung hatte der Tolle Markgraf gegen die Pastoren. Den Nahausener (Nawodna) Pastor, der als Langschläfer bekannt war, hatte er einst aus dem Bett geholt, als die Leute schon zur Kirche gingen. Den nur notdürftig bekleideten geistlichen Herrn hat er trotz allen Sträubens mit nach Schwedt genommen und ihn hier in das Zimmer der Markgräfin geschoben, die eben einen feierlichen Empfang ihrer Hofdamen hatte.
Eine gewaltige Abfuhr bekam der Markgraf beim Lindower Pastor. Der hatte eine derbe Zunge und nahm kein Blatt vor den Mund. Einst hatte der Markgraf erfahren, dass der Pastor von der Kanzel herab mächtig auf ihn geschimpft habe. Nun wollte er ihm seinen Unwillen durch eine Tracht Prügel zu verstehen geben.
Er fuhr nach Lindow und ließ vor dem Pfarrhaus halten. Dann gab er an seine Diener die Anweisung, sich nicht von der Stelle zu rühren, wenn sie es im Hause schreien hören. Doch der Markgraf war hier an den Unrechten gekommen. Der handfeste geistliche Herr verdrosch die Markgräfliche Hoheit so nachdrücklich und ergiebig, dass dieser laut um Hilfe schrie. So sehr er auch schrie, niemand kam und der Markgraf musste so lange stille halten, bis der Pastor seine Lektion für ausreichend hielt.
Der Pastor, der sich vor der Rache des Markgrafen nicht sicher war, bat um seine Versetzung und kam darauf nach Hohenreinkendorf.


Der Grützpott

Vor vielen Jahrhunderten lebte auf der heute völlig verschwundenen Burg ein Ritter namens Tiloff mit seiner Mutter. Dieser Ritter führte ein ungezügeltes Leben. Vor allem hatte er es auf die Handelsleute abgesehen, die mit ihren Kaufmannswagen durch sein Gebiet zogen. Tiloff pflegte in Stettin an den Markttagen herumzuspionieren, wer von den Kaufleuten Geld in der Katze hatte oder Waren auf die Dörfer brachte. Diese Leute plünderte er dann später völlig aus. So hatte er eines Tages einen Kaufherren aus Schlesien beobachtet, der viel Schleierleinen verkauft hatte und darum eine volle Geldkatze um den Leib trug.
Als der Kaufmann durch den Stolper Wald ritt, überfiel ihn der Ritter mit geschwungenem Schwert. Doch der Kaufmann war auf der Hut. Er zog seine Pistole, die mit einem silbernen Knopf vom Kleide seiner Frau geladen war. Der Knopf traf den Ritter ins Herz und er fiel tot vom Pferde. Entsetzt flohen dessen Knappen und stürmten auf die Burg. Bald war die Kunde vom Tod des Ritters Tiloff in die umliegenden Dörfer gedrungen. Da rotteten sich die Bauern zusammen, stürmten die Burg, um den verhassten Bau zu zerstören. Bald waren sie im Besitz der Burg. Doch nun galt es noch den starken Bergfried, den Turm, in den sich die Verteidiger geflüchtet hatten, zu stürmen. Die Verteidiger warfen alles aus der Höhe auf die Anstürmenden herab. Zuletzt, als sie nichts mehr an Pech und Steinen hatten, warfen sie sogar ihr eben fertig gewordenes Mittagessen, einen dicken Grützbrei, auf die Belagerer. Dieser Brei fiel dem Stolper Schmied, der auf der obersten Leitersprosse stand, gerade auf seine Sturmhaube. Mit den Worten: “Den Grützpott war’n wie bald utschüren”, schlug er mit einer Eisenstange die Bohlentür zum Turm ein. Das war das Ende des Raubnestes.
Der Anker in der Angermünder Kirche
Alte Leute erzählen, dass einst vor vielen hundert Jahren über der Stadt, die heute Angermünde heißt, ein schweres Gewitter tagelang stand und nicht weichen wollte. Endlich kam die Sache den Leuten doch sonderbar vor und der Rat schickte den Türmer auf den Kirchturm hinauf, damit er nachsehe, ob sich das Gewitter vielleicht an der Kirchturmspitze festgehalten hätte und darum nicht weiterziehen könne.
Wer beschreibt nun des Mannes Erstaunen, als er im Schallloch einen Anker sitzen sieht, von dem aus eine schwere Kette in die Wolken zu einem Schiff hinauf ging. Schnell wurde nun die Kette mit einem scharfen Beile gekappt und von Stund’ an verzog sich das Gewitter in eine andere Gegend.
Der Anker ist zum ewigen Gedenken in der Kirche aufgehängt worden und nach ihm hat die Stadt ihren jetzigen Namen “Angermünde” erhalten.


Der Schatzkasten in der Angermünder Kirche

Der kriegslustige und sangesfrohe Markgraf Otto IV. mit dem Pfeile führte Krieg mit dem Erzbischof von Magdeburg und hatte das Unglück, in Gefangenschaft zu geraten. Er wurde in einen Bohlenkäfig gesperrt und öffentlich zum Spott und Schimpf ausgestellt. Seine edle Gemahlin Heilwig verschaffte ihm die Freiheit. Aber er musste versprechen, binnen vier Wochen 4000 Mark Silber zu zahlen oder in die Gefangenschaft zurückzukehren.
Der Markgraf wurde von seinem treuen Volke mit Jubel empfangen; aber ihm selber war nicht froh zumute. Woher sollte er die große Summe nehmen? Doch seine Gemahlin schaffte Rat. Sie wies ihn zu Johann von Buch, der seines Vaters treuer Ratgeber gewesen war. Der führte den Markgrafen in ein Gewölbe der Marienkirche in Angermünde. Da stand ein gewaltiger mit Eisen beschlagener Kasten. Johann von Buch öffnete ihn mit einem Schlüssel, den er verborgen bei sich trug und der erstaunte Markgraf sah was er brauchte. Eine große Menge Geld. Der getreue Buch aber sprach: ”Dieses Gut hat Euer Vater hinterlassen und mir für Zeiten der Not anvertraut. Hiermit löset Euch!” Gerührt nahm Otto das Geld und erkaufte seine Freiheit.
Der Schatzkasten ist heute noch vorhanden. An der Nordseite der Hauptkirche zu Angermünde steht eine alte große Linde, die im Umfang unten am Stamm 21 Fuß hat und einst ihren Wipfel hoch über das Kirchendach erhob, jetzt aber vom Blitz gespalten und von vielen Stürmen so mitgenommen ist, dass sie kaum noch 30 Fuß Höhe hat. Diese soll von Markgraf Johann I. gepflanzt worden sein, um von außen die Stelle des großen Schatzes zu bezeichnen, den er in einem an dieser Seite der Kirche befindlichen Gewölbe hatte einmauern lassen. Zum Hüter desselben hatte er seinen getreuen Rat Johann von Buch eingesetzt, der dann den Markgrafen Otto mit dem Pfeile später damit aus der Gefangenschaft befreit hat.


Die weiße Hand im Kirchturm zu Kunow

Vor einer Reihe von Jahren war an dem Kirchturm von Kunow bei Schwedt eine größere Reparatur notwendig geworden. Die Arbeit wurde von zwei Fiddichower (Widuchowa) Maurern, einem Polier und einem Gesellen ausgeführt. Alle Abend verschloss der Polier die Turmtüren. Eines Abends, nachdem er wieder die Türen verschlossen hatte, wurde oben die Turmluke geöffnet, ein Mann sah hinaus und bat, die Tür noch einmal zu öffnen.
Der Kirchboden war zum Tabak aufhängen verachtet, der Pächter hatte noch Tabak aufgehangen und das Fortgehen der beiden Männer nicht bemerkt.
Von dieser Zeit an rief der Polier jedes Mal, bevor er die Türen verschloss, vom Turmflur nach oben: “Hat der Teufel noch einen oben, dann komme er runter.” Drei Abende hatte er schon diese nicht besonders freundliche Einladung von unten nach oben geschickt, ohne dass sich etwas gemeldet hätte. Am vierten Abend jedoch, als kaum das letzte Wort verhallt war, meldete sich oben etwas.
Schlapp, schlapp, schlapp, kam es von oben herunter. Jetzt eine kleine Pause, erster Absatz, dann weiter: Schlapp, schlapp, schlapp, dritter Absatz, Immer näher kamen die unheimlichen Schritte. Jetzt wurde es dem Polier doch etwas anders um die Leber, mit raschem Griff verschloss er die innere Tür, eine Glastür. Aber kaum hatte er den Schlüssel abgezogen, so strich langsam eine große, mit weiß ledernem Handschuh bekleidete Hand über die Scheibe hin. Betroffen sahen sich die beiden Maurer eine kleine Weile an.
Für den anderen Tag blieben noch zwei kleine Reparaturen. Der Polier beauftragte den Gesellen, die obere Arbeit fertigzustellen, er würde die untere fertig machen. Wie es nun am Mittag fertig war und auf den Gesellen wartete, stand er hinter ihm. Auf Befragen des Poliers, ob die Arbeit gemacht sei, erwiderte der Geselle: “Auf den verwünschten Turm kriegt mich keiner mehr rauf.”
Dem Polier blieb nun nichts weiter übrig, als die Reparatur, die oben noch geblieben war, auch noch auszuführen.


Die Marienfigur von Kerkow

In der Feldsteinkirche zu Kerkow stand eine aus Eichenholz geschnitzte Marienfigur. Mit dieser Figur hatte es folgende Bewandtnis.
Vor vielen Jahrhunderten wurde die ganze Gegend, besonders aber Angermünde, von einer Räuberbande heimgesucht. Da kam eines schönen Abends ein Handwerksbursche, der in seiner Innungsstube erzählte, dass die Räuber wieder mal auf dem Galgenberge bei Mürow wären. Er wäre mit Müh und Not davon gekommen. Plötzlich fragte einer der Gäste, ob es wohl einer wagen würde, allein zum Galgenberg zu gehen und zu sehen, ob die Räuber noch da wären. Da sagte der Wirt, er habe eine neue Magd aus Kerkow bekommen, die scheue sich selbst vor dem Teufel nicht. In einem dunklen Gewand schlich sich Schön-Anning, so hieß das Mädchen, bis zum Galgenberg. Dort fand sie ein Pferd, an den Galgen gebunden, mit einem Mantelsack auf dem Rücken. Hinter den Büschen hörte sie die Stimmen der Räuber. Leise band Schön-Anning das Pferd los, schwang sich darauf und erreichte glücklich das Stadttor. Nun wurde das Mädchen in der ganzen Stadt gefeiert, zumal sie noch im Mantelsack geraubtes Geld mitgebracht hatte.
Auch die Räuber hörten von dieser Begebenheit. Eines Sonntags, als alle anderen ausgegangen waren, kam ein hoch gewachsener Mann in die Gaststätte “Höllenlicht” und forderte von Schön-Anning ein Glas Wein. So ging sie wohl zur Kellertür, stieg aber nicht hinab, sondern blieb hinter der offenen Tür stehen. Und richtig! Da kam auch schon der Fremde, stieg die Kellertreppe hinab und versuchte, in der Dunkelheit mit Stahl und Feuerstein Licht zu machen. In diesem Augenblick schlug das Mädchen die schwere Kellertür zu, verriegelte sie obendrein. Sie hatte den Räuberhauptmann gefangen! Später hat der Mann alle seine Kumpane verraten.
Zum Dank dafür, dass Schön-Anning die Stadt von einer großen Sorge befreit hatte, schenkte ihr der Rat der Stadt eine schöne Brautaussteuer. Das Mädchen wieder stiftete der Kirche in Kerkow zu ihrer Hochzeit die Marienstatue.


Das Stadttor von Gartz

Dicht am Stadttor von Gartz stand früher ein Häuschen, das sich mit seiner Rückseite an die Stadtmauer lehnte. Hier wohnte bei ihren Eltern eine wunderschöne Jungfrau.
Eines Nachts klopfte es, das Mädchen war schon eingeschlafen, dreimal an das Fenster der Kammer. In der nächsten Nacht ging es genauso. Nun schlief die Jungfer nicht mehr ein, sondern zog sich voller Furcht die Decke über den Kopf. Am nächsten Morgen erzählte sie ihr Erlebnis den Eltern. Diese gingen mit ihr zur alten Wiekschen, die in solchen Dingen Bescheid wusste. Die alte Frau riet, die Jungfer sollte ruhig den Fensterladen aufmachen und fragen, was der Klopfende von ihr wolle. In der dritten Nacht klopfte es wieder dreimal an den Laden. Das Mädchen fasste sich ein Herz, öffnete das Fenster und fragte, was da los sei. Im Mondschein erkannte sie auf der stillen Straße eine Nonne aus dem Kloster. Diese rief ihr zu: “Ich danke Dir, Kind, dass Du mich fragst. Du kannst mich nun erlösen. Ich habe einst Geld, das man mir anvertraute, an der Stadtmauer beim Tor vergraben und habe nun keine Ruhe mehr, bis das Geld wieder ausgegraben ist. Komme morgen, wenn Vollmond ist, mit einem Spaten. Ich will Dir zeigen, wo es liegt. Was Du ausgegraben hast, kannst Du behalten, nur sprechen darfst Du nicht. Tust Du es doch, dann müsste ich so lange ruhelos sein, bis ein dreibeiniger Hase durch das Tor läuft.
Nach diesen Worten verschwand die Nonne. Als die Turmuhr zwölf schlug, stand die Jungfer in der nächsten Nacht in der Haustür. Beim letzten Glockenschlag stand die Nonne neben ihr. Sie führte das Mädchen in einen Winkel des Torturmes und deutete auf die Erde. Eingedenk der Worte der Nonne grub das Mädchen schweigend, auch als sich eine schwarze Natter aus der Grube ringelte und in der Finsternis verschwand. Auch ein schwarzer Pudel, der sie mit feurigen Augen ansah, störte sie nicht. Endlich stieß sie mit dem Spaten auf etwas Hartes. Da vergaß sie in ihrer Freude den Rat der Nonne. Mit den Worten: “Gott sei Dank, ich habe ihn!”, wollte sie den Kasten heben. Da, ein furchtbarer Donnerschlag! Aufschreiend lief die Nonne davon. Das Mädchen fiel tot auf den Boden. Als sie wieder erwachte, war es dunkel, die Nonne war verschwunden und der Schatzkasten auch. Das Mädchen ist bald darauf gestorben.


Der Kobold (Drache)

In Biesenbrow bei Angermünde spricht man heute noch von einem koboldartigen Wesen, das dort umgehen soll.
Eines Tages kam zu einer Bauersfrau eine Frau, die einen roten Unterrock in der Hand trug. Zum Schluss ihres Gesprächs bat die Frau die Bauersfrau, den Rock doch über die Grenze zu tragen und dann erst das Bündel zu öffnen. Sie machte sich auf den Weg, aber die Neugierde war so groß und schon vor der Grenze öffnete sie ihr Bündel. Da fuhr mit einem furchtbaren Gebrause ein Kobold heraus. Fortan blieb der Kobold bei der Bauersfrau. Sie musste ihm jeden Tag eine Mehlsuppe kochen, die sie nach dem Boden trug, wo der Kobold - wie man sagte - in einem Fass lebte.
Die Familien, bei denen der Kobold wohnt, werden reich. Ein roter Kobold bringt Geld, ein blauer Korn. Des Nachts geht er um. Er begibt sich auf andere Gehöfte, drischt das Korn aus und trägt es in die Scheune zu seinen Leuten. Er verlangt eine gute Behandlung, sonst trägt er das Korn woanders hin. Den Leuten versucht er allerhand Schabernack zu spielen. Wenn z. B. die jungen Leute zum Tanz gehen, wirft er ihnen faule Gurken an den Kopf. Wird er von den Leuten geärgert, besudelt er sie. Dieses lässt sich niemals wieder abwaschen. Er erscheint den Menschen in vielerlei Gestalt. Einst als Kater mit glühenden Augen, dann wieder erschien er einem Bauern als feurige Kugel auf der Feldmark, auch einmal als dreibeiniges Schwein auf der Kirchhofsmauer.
Die Familie, bei der der Kobold umging, starb aus. Als letzter ihres Stammes starb die Frau des Hofes. Bei ihrer Beerdigung wollen Leute den Kobold als bunten Hahn auf dem schwarzen Sarg gesehen haben. Als das Grab zugeschaufelt wurde, erschien der Kobold als Sperling und flog gen Schmiedeberg, das in der Nähe liegt, davon.


Die Töpferberge von Welsow

Unweit von Welsow liegen die Töpferberge und wer ganz oben steht, kann ganz weit ins Land schauen. Die Berge aber sind inwendig von einem kunstverständigen Volk bewohnt, den Erdmännern. Die haben schon vor alten Zeiten den Menschen nur Gutes getan. Da sie bis tief in die Erde gruben, erfanden sie die Töpferkunst. Noch heute findet man an den Abhängen der Berge hin und wieder beim Pflügen Scherben von Töpfen dieser Zwerge.
Eines Tages pflügte der lange Friedrich aus Mürow. Da hörte er in der Frühstückspause ganz deutlich, wie die Zwerge tief im Berge den Töpferton auf die Bank klatschten. Einmal verstand er auch, was die Zwerge dabei sagten.
Es klang wie: “Wohl bekomms!” Der lange Friedrich stand auf und pflügte weiter. Als er wieder an die Stelle kam wo er geruht hatte, stand ein Krug mit Wein dort. Er hob ihn auf und nahm einen Schluck davon. Da er aber ein Uckermärker war, dem das Sprichwort in Fleisch und Blut übergegangen war: Häw up, hett wat - frät up, hett nix!, trank er nicht alles. Am Abend nahm er den Krug mit dem Rest des Weines mit nach Hause und stellte ihn in seine Knechtslade. Nach dem Abendessen ging er in seine Kammer, schloss seinen Kuffert auf und machte große Augen. Der Krug war wieder bis zum Rand gefüllt.
Das ging nun immer so weiter. Sooft Friedrich auch den Krug an den Mund setzte, aus dem Rest wurde immer wieder ein voller Krug. Die anderen Leute aber, die mit ansahen, dass der Friedrich immer einen vollen Krug mit Wein aus seiner Lade holte, wurden neidisch. Am allermeisten der Ochsenknecht, der schon immer eine Wut auf den langen Friedrich hatte, weil dessen Pferde schneller gingen als die Ochsen. Eines Tages entwendete er ihm die Schlüssel seiner Lade. Er schlich sich leise in die Kammer, schloss den Kuffert auf, fand den vollen Krug und trank ihn bis zum letzten Tropfen aus. Von Stund an ist der Krug der Zwerge nicht mehr voll gewesen.


Die beiden Schwestern

Eine alte Sage berichtet, dass in dem Dorf Grünow vor sehr, sehr langer Zeit zwei Schwestern die Kirche erbauen lassen wollten. Im frommen Eifer strebte aber jede danach, noch mehr als die andere für den Kirchenbau zu leisten. Schließlich kam es zum offenen Streit zwischen den beiden über die Frage, wer von ihnen den Kirchturm bezahlen sollte. Jede wollte es tun, aber jede wollte den ganzen Kirchturm allein stiften.
Da es zu keiner Einigung kam, ließen die Frauen, jede für sich, einen Turm an das Kirchenschiff bauen, wobei der eine Turm an die Ostwand und der andere an die Westwand kam. Einigen konnte man sich schließlich nur darüber, dass der Turm derjenigen, die zuerst sterben würde, wieder abgetragen werden sollte. Da nun aber die Schwester, die den westlichen Kirchturm bauen ließ, zuerst starb, blieb der Grünower Dorfkirche nur der Ostturm erhalten und deshalb hieß das Dorf lange Zeit “Verkehrt Grünow”, weil der Kirchturm nach der falschen Seite weist.


Wie die Burg Vierraden zu ihrem Namen kam

Ursprünglich hieß sie nach dem Willen des Erbauers die rote Burg. Den Namen hatte der Ritter nach den Farben seines Wappens gewählt. Er wachte darüber, daß alle den Namen "Roteburg" gebrauchten. Nun lag an der alten Handelsstraße, die von Schwedt nach Stettin führte, an der Welse eine Mühle mit vier Mahlgängen, also vier Rädern. Diese Mühle erschien natürlich den Bauern viel wichtiger als die Burg des Ritters. Man gewöhnte sich daran, den Übergang über die Welse mit ihren weiten Sümpfen nach der Mühle zu benennen und die Burg ebenso. Das verdroß den Ritter sehr. Da er aber den weit und breit angesehenen Müller der Vierradenmühle nichts anhaben konnte, weil dieser auch bei dem Landesfürsten in Gunst stand, griff er zu einer gemeinen List. Er lud den Müller freundlich zu einer Abendmahlzeit auf die Burg. Während des Essens stand der Ritter plötzlich auf und sah aus dem Fenster: "Ich sehe einen Stern, den sehe ich gern!" Der Müller, der gleich Böses ahnte, sagte in seiner bedächtigen Art: "Ich sehe den Stern aber nicht gern!" Die Vierradenmühle stand in Flammen. Um den verhaßten Namen der Mühle loszuwerden, hatte der heimtückische Ritter durch einen begnadigten Mörder die Mühle anzünden lassen. Ritter und Müller sind längst tot. Aber der Ritter fand im Grabe keine Ruhe. Noch heute begegnet er den Menschen zur Mittagszeit im Küselwind und ruft: "Roteburg, Roteburg", aber kein Mensch kehrt sich daran, Stadt und Burg heißen heute noch Vierraden.


Die letzten Grafen von Hohenstein

An der Nordseite von Vierraden liegen an der Welse die Trümmer der ehemaligen Burg der Grafen von Hohenstein, von der noch ein hoher Turm bis auf den heutigen Tag steht. Von den übrigen Gebäuden sind indes nur noch die Grundmauern zu sehen. In dieser Burg lebten vor Zeiten die Grafen von Hohenstein, zuletzt ein Vater mit seinem Sohn. Da geschah es, daß der Vater einst nach Chorin ritt, denn dort wurden immer große Turniere gehalten. Seinem Kaplan befahl er, während seiner Abwesenheit seinen Sohn gut zu bewachen, denn der suche Händel und könne leicht in Gefahr geraten; außerdem prägte er es aber auch dem Wächter an der Zugbrücke noch ganz besonders ein, seinen Sohn unter keiner Bedingung aus der Burg zu lassen. Zu derselben Zeit lebten in Penkun und Gartz zwei Ritter, die schon lange verfeindet waren, und der von Gartz hatte dem Penkunschen, der Brautmann war, seine Frau geraubt und auf sein Schloß gebracht. Das hatte der junge Hohenstein gehört, und sann auf eine List, wie er seinem Freunde, dem Ritter von Penkun, zu Hilfe kommen könne. Zu dem Zwecke nahm er, als der Kaplan eingeschlafen war, dessen Kutte, zog sie sich an und kam auf diese Art glücklich über die Zugbrücke. Einige Knechte, die er vorher schon für sich gewonnen hatte, nahm er mit und zog nach Gartz, wo er die Braut des Penkunschen Ritters aus der Burg holte und zu ihrem Brautmann zurückführte. Währenddessen war aber der Kaplan erwacht, hatte schnell eine Anzahl Knappen ausgeschickt und ihnen befohlen, wo sie den jungen Hohenstein fingen, sollten sie ihm auf der Stelle dreißig Hiebe erteilen. Sie brauchten nicht lange zu spähen und die verhängte Strafe wurde trotz heftiger Gegenwehr an ihm vollzogen. Dadurch fühlte er sich in seiner Ehre so gekränkt, daß er nicht mehr in die Burg zurückgekehrt ist, und seither hat man ihn nicht wieder gesehen. Sein Vater aber starb bald danach auf einem großen Turnier in Chorin, und mit ihm ist der letzte der Grafen von Hohenstein in die Grube gefahren.


Sage vom Böttchermeister

Vor vielen, vielen Jahren lebte in Boitzenburg ein ehrsamer Böttchermeister. In einer Nacht, als er sanft und süß nach den Anstrengungen des Tages schlief, rief ihn eine unbekannte Stimme ins nahe Kloster. Er sollte kommen und sein Handwerkszeug mitbringen, denn es gäbe dort für ihn Arbeit. Der Meister stand auf, und als er vor die Tür trat, empfing ihn ein Mann mit langem weißen Barte und führte ihn durch mehrere unterirdische Gänge in einen großen Keller, wo viele Fässer standen, die bis zum Rand mit Gold und Silber angefüllt waren. Hier erhielt nun der Böttchermeister den Auftrag, diese Fässer mit neuen Reifen zu versehen. Aber es waren ihrer gar viele, so viele, dass er sie kaum übersehen konnte. Eine alte Tranlampe erhellte ein wenig den Raum, und es war unserm Meister, als wenn die alten Nonnen gleich Gespenstern durch die Tonnen dahin schlichen. Auf einmal erfasste ihn ein Grausen; er ließ sein Handwerkszeug liegen und lief, was er laufen konnte nach Hause.In der folgenden Nacht kam der Greis wieder und brachte ihm sein Handwerkszeug. Der alte Mann dankte dem Böttchermeister, dass er sein Handwerkszeug zurückgelassen habe, denn die Arbeit verstünden sie im Kloster selbst gut, nur an Handwerkszeug fehle es. Der Meister atmete erleichtert auf und schlief ein. Als der Böttcher am andern Morgen aufwachte, da lag sein Handwerkszeug neben dem Bett und dabei ein Haufen Gold, und so war er plötzlich ein reicher Mann; aber er wäre wohl noch viel reicher geworden, hätte er die Arbeit selbst getan.


Quellen:
• "Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen.", A. Kuhn / W. Schwartz, Leipzig 1848, S. 44 u. 57
• "Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg-Woldegk", E. Schulz
• "Uckermärkische Sagen", Gerhard Hänsel, KIRO-Verlag 1996
• "Sagenschatz der uckermärkischen Kreise Prenzlau und Templin", Rudolf Schmidt, C. Vincent, Prenzlau 1922, S. 27 f.