Schwedter Straße

In rd. 920 m Länge erstreckt sie sich vom Schwedter Tor oder Steintor bis zur Bahnüberführung am Wasserwerk. Bis 1880 hieß sie " Vor dem Schwedter Tor ". Die gesamte Umgegend dieser Straße nannte man noch 1892 Schwedter Vorstadt . Der amtliche Name Schwedter Straße wurde am 7. Juli 1881 eingeführt. 1933 tauchte der Name Hermann-Göring-Straße auf, der 1945 wieder in Schwedter Straße zurückbenannt wurde. Ab 1947 hieß sie Puschkinstraße.



Sie war eine sich bis zum Abgang des Seelübber Weges vielfach hin und her schlängelnde Landstraße, die 1832 bis zum St. Georgshospital planiert und gerade gelegt wurde. Dort, wo die Vorgärten liegen und sich die Gehbahnen befinden, zogen sich an beiden Straßenseiten tiefe Wegegräben entlang, die alle möglichen Abwässer in den Schäfergraben kurz vor der Bahnüberführung einleiteten.

1886 war zwischen dem Tor und der Grabowstraße noch ein Sommerweg vorhanden und bei nassem Wetter war die Verbindung zur Kaserne III oft kaum als Straße zu bezeichnen. Erst 1894 erfolgten an diesem Straßenteil die Regulierung, Pflasterung in voller Straßenbreite und die Anlage eines Bürgersteiges.
Über den damaligen Straßenzustand bringen nachstehende Texte "eingesandt" im Uckermärkischen Kurier genügend Aufschluß.

Hilfe! Hilfe! Wir versinken!
Wer liefert anderthalb Meter lange Wasserstiefel?
Einer aus der Schwedter Vorstadt.
(Uckermärkischer Kurier 23. März 1889)

An die Bewohner der Schwedter Vorstadt!
Sobald die Pflasterung der Schnelle beendet ist, werden die Bewohner derselben ihre 2 Meter langen disponibeln Wasserstiefel gratis liefern. (Uckermärkischer Kurier 28. März 1889)

Eingesandt.

Willst Du im Dunklen wandern,
Geh vor das Schwedter Thor,
Auch wenn dort unter Anderm
Kommt Überschwemmung vor,
Nicht blenden dort Gasflammen
Dir Deiner Augen Licht –
Wen willst Du d´rob verdammen
Wenn Arm und Bein Du brichst?

Giebts wohl´ne schönre Gegend
Wie vor dem Schwedter Thor?
Du findest, wenn´s geregnet,
Dort Böder auch von Moor!
Und hast Du Badehosen
Zufällig bei der Hand,
Mach nicht erst lange Schosen,
Ein Bad ist hier charmant!

Willst Sparsamkeit Du lernen,
Geh´vor das Schwedter Thor,
Dort zahlt man seine Steuern
Und hat noch „Nischt“ davor.
Dort brennt kein Lämp- kein Lichtlein,
Wenn´s noch so duster ist,
Dort spart man ruhig weiter,
Bis man den Hals erst bricht.

(Der Beleuchtungskommission in Liebe gewidmet)
(Uckermärkischer Kurier 23. März 1889)


1880 waren noch keine Grundstücke und Häuser nummeriert. Nach dem Adreßbuch 1880 waren vorhanden: Landarmenhaus , Ackerwirtschaft Kolberg (Ecke Seeweg ), Haus Bauer, Bertramhaus, Haus Eichmann, Leichenhaus (Friedhof), Haus Schirmer, Haus Weinrich ( Schirmershof ), St. Georgshospital , Wolffs Mühle ( Klettes Willa ), Kolonie Zuckerfabrik, Süßer Grund und Schützenhaus . 1882 zählte man schon 18 Grundstücke mit den Nummern 1-3,a-d, 4, Schirmershof , St. Georg , 6-9,a, 10 ( Schützenhaus ), Lazarett und Kaserne III. 1938 waren hier 52 Grundstücke registriert (2, 4, 6, 12, 24, 26, 28, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 62, 68, 80, 29a, 57, 55, 53, 51, 49, 47, 45, 33, 31, 29, 27, 25, 23, 21, 19, 17, 11, Flugplatz, 59, 82, 65, 67, und jüdischer Friedhof.

Es wohnten in der Schwedter Straße:
1904 = 695,
1905 = 751,
1914 = 732,
1915 = 745 und
1916 = 780 Personen.

1722 stand an der Straße und im heutigen Rosengarten gegenüber dem Kino das Schützenhaus , das später zur Grabowstraße verlegt wurde.

Das Grundstück Nr. 2 dehnt sich von der Schwedter Straße bis zum Kurgarten bzw. dicht zum Uckersee aus, das am 30. März 1805 durch den Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Öls von dem Ökonom Johann Heinrich Seger für 6.900 Taler erkauft wurde. Er gab es am 15. Januar 1808 an den Hauptmann Ferdinand Philipp Lorenz von Below für 10.500 Taler weiter, von dem es am 15. Oktober 1808 für den gleichen Preis an die beiden Söhne des Herzogs, die Prinzen von Braunschweig-Lüneburg, zurückkam. Am 31. März 1815 ging es auf mehrere Mitglieder der Herzogsfamilie von Sachsen-Weimar-Eisenach, Brandenburg-Bayreuth und Mecklenburg-Schwerin über. Für 4.000 Taler wurden dann am 5. Mai 1817 der Bürger Christian Friedrich Bernd und dessen Frau Christine Sophie geb. Becker die Besitzer dieses umfangreichen Geländes.

Das bebaute Grundstück an der Schwedter Straße sah damals so aus: Vom Turm kommend zuerst ein langes Wohnhaus mit anschließendem Stallgebäude, getrennt hiervon ein schmaler langer Stall (Standort der Berufsschule). Auf dem Hof zwei Ställe und zwischen diesen ein Gebäude, welches als Waschhaus genutzt wurde.

1841 verkaufte Bernd sein Haus und Grundstück an die Provinz, die das alte Wohnhaus zur Errichtung einer Landarmenanstalt neu ausbaute bzw. umbaute. Den Vorgarten, der 1842 noch ein langer Graben war, trat die Stadt im gleichen Jahr kostenlos an die Provinz ab unter der Voraussetzung, daß die Benutzung eines schmalen Streifens am Schweter Tor und an der Stadtmauer entlang nach Westen zu für eventuelle Mauerreparaturen entschädigungslos für ewige Zeiten der Stadt vorbehalten bleibt. 1845 wurde als Lazarettgebäude der Anstalt das bis 1954 von der Volkspolizei genutzte Haus errichtet und die Gartenabschlußmauer am Levezowweg , die zur Anlage des neuen Parks abgerissen werden sollte, entstand 1848. Das alte und bisher als Inspektion genutzte Berndsche Wohnhaus wurde 1866 abgerissen, an dessen Stelle dann das jetzt als Bürgermeisterei dienende Gebäude kam.


Hofansicht


Das Arbeitshaus ( späteres Feierabendheim ) am Seeweg war anfangs als Fachwerk erstellt worden, 1872 wurde es jedoch massiv hergerichtet. Das an der gegenüberliegenden Ecke befindliche landwirtschaftliche Grundstück des Ackerbürgers Kolberg kam 1883 durch Kauf ebenfalls in die Hand der Provinz, die es zum Grundstück XVII/53 zuschreiben ließ. Das als Berufsschule genutzte Gebäude erhielt als Kapelle einen großen Saal, der am 26. März 1882 eingeweiht wurde.

Dicht am Kurgarten befindet sich auf einer Höhe der 1735 erbaute Gartenpavillon, der unter Denkmalschutz steht und bei der Ausgestaltung des Kulturparkes freigelegt wurde und als Aussichtspunkt vorgesehen war.



Hier haben wir auch die Stelle, an der sich früher der sogenannte Ratsweinberg befand. Am Fuß des Hügels und dicht am Kurgarten liegt der am 20. Juli 1843 genehmigte Friedhof der Landarmenanstalt, der 1904 zum Mühlenweg hinter Klettes Villa verlegt wurde.

Die Abwasserleitung des Gesamtgrundstückes erhielt 1886 die Genehmigung zum Uckersee. 1897 wurde die Leitung durch Zementrohre erneuert. Im Westteil des großen Gartens stand das bereits 1805 vorhandene Waschhaus, das 1904 zu einem Gartenhaus umgebaut wurde und 1945 dem Großen Stadtbrande zum Opfer fiel. Eine dabei stehende Scheune nebst Stall brannte um 1830 ab.

Wie an fast allen Ausfallstraßen der Stadt standen auch an der Schwedter Straße viele Scheunen, von denen am 10. Mai 1835 13 Stück mit einem Male wegbrannten. Die anderen hatten das gleiche Schicksal und die letzten verschwanden um 1905, dem Rekordjahr der Prenzlauer Scheunenbrände. Übrig blieb lediglich die Scheune neben Nr. 12 stehen.

rechts die noch stehende Scheune (Foto: Fritz Mitreiter)

An Stelle einer abgebrannten Scheune errichtete 1912 der Handwerkerverein auf Grundstück Nr. 12 sein später als Volkskino benutztes Handwerker-Vereinshaus , in dem sich um 1921 die "U.T.-Lichtspiele" (noch 1926) und 1941 die Kammerlichtspiele niedergelassen hatten. Am 16. Juni 1928 richtete sich Richard Woykenat im Erdgeschoß das Palast-Café ein, in dem sich bisher eine Gaststätte befunden hatte. Die Räume der späteren HO-Gaststätte bildeten nur einen Teil der damaligen Konzession.



Das Gelände zwischen der Grabowstraße und dem ehemaligen Schützenplatz (der spätere Stadtort der Baracken), also der größte Teil des heutigen Gymnasiums, ist der Schwedengrund , der 1722 auf der Euchlerschen Karte noch als Lehmkute (Lehmkuhle) bezeichnet wird.

Von 1871 – 1877 war diese Gegend vom Magistrat gegen jährliche 37 Taler an die städtische Armenanstalt als Acker verpachtet. Laut Bekanntmachung vom 24. April 1880 begann man mit der Zufüllung der alten und tiefen Lehmgrube durch Schutt und Asche.

1884 war jedoch die Ascheablage hier wieder verboten. Die alte Grube hatte noch ziemlich steile Böschungen und Pächter des Landes war der Fuhrherr und Spediteur Schmidt, der den Platz als Wagenabstellgelände ausnutzte. Der vorhandene Steilhang der alten Lehmgrube war wiederholt Anreiz für halbstarke Jugendliche, die dort stehende Wagen, die Böschung herabrollen zu lassen.

Nr. 68 beherbergt das St. Georgshospital , das bereits 1325 erwähnt wird, zur Reformationszeit jedoch schon stark verfallen war. Seit 1577 wird es verwaltungsmäßig mit dem Schwarzklosterhospital zusammen betreut. Bis zur Säkularisation war es das Leprosen- und Aussätzigenheim der Stadt Prenzlau, wurde von 1710/11 als Pesthaus und ab 1737 als Militärlazarett genutzt. Durch Einbau einer Decke und dadurch zweigeschossig gestaltet, diente es dann bis 1945 als Altersheim.



Die früher um diese Kapelle herumliegenden Wohn-, Wirtschafts- und Stallgebäude wurden bereits um 1652 abgerissen, da diese Gegend durch Zusammenkunft von allerlei Gesindel und als Treffpunkt von Knechten und Mädchen aus der Stadt in einem äußerst üblen Ruf stand. Nach einer Urkunde von 1465 war die Jürgenkapelle damals für alle jungen Frauen nach der Hochzeit ein vielbeliebter Wallfahrtsort, um hier reichen Kindersegen zu erflehen.

Das am Ostende der Schwedter Straße liegende Wasserwerk wurde am 20. Juni 1899 in Betrieb genommen. Unter Zubringung aus sechs Brunnen betrug die damalige tägliche Leistung 2.000 cbm Wasser, das zu dem in der Grabowstraße stehenden und 450 cbm fassenden Wasserturm gepumpt wurde. 1927 betrug die Wasserförderung 460.529 cbm, 1928 – 513.551 cbm und 1930 – 580.657 cbm. Die Rohrlänge in der Stadt umfaßte 1930 – 30,6 km, in welchem Jahr auch der Einbau von 82 Oberflurhydranten im Stadtgebiet erfolgte.



Das "Hohe Gericht" der Stadt lag auf dem Georgshospital gegenüber dem Galgenberg . Ursprünglich stand hier (etwa heutige Richtstraße - Ostende) ein kleines Gehölz mit einer großen Eiche, die zum Aufknüpfen der Übeltäter diente, später jedoch abgeschlagen wurde. Den eigentlichen Galgen errichtete man am 6. Mai 1611, woran 61 Zimmerleute und 32 Maurer beteiligt waren. Den Grundstein legte der Bürgermeister Krüger, Michael . Die benötigten Fundamentsteine entnahm man den Resten der Rübenburg ( Elisabethgarten ) und einem Pfeiler des Neustädter Tores. Der Galgen bestand aus drei massiven Fundamentpfeilern mit daraufgesetzten Kanthölzern und auf diesen liegenden Querhölzern und muß eine erhebliche Höhe gehabt haben.



Unter Musikbegleitung fand am 7. Mai 1663 eine umfangreiche Holzreparatur statt, bei der der Bürgermeister Bötticher, Johann Thomas sen. und der Kämmerer Vilitz, Daniel zugegen waren. Eine nochmalige Holzreparatur erfolgte 1755, da drei desertierte Soldaten hier ihr Leben lassen sollten. Hierbei kam es zu einem Streik der Zimmergesellen, die darauf bestanden, daß das gesamte Gewerk sich an der Ausbesserung beteiligen müsse. Des Weiteren verlangten sie vom Magistrat 5 Taler als Extrahonorar, was dieser in seiner Notlage auch bewilligte. Das letzte Opfer des Galgens war 1774 die unverheiratete Lonise Sansin, die wegen Begünstigung von Deserteuren und Fluchtbeihilfe zum Tode verurteilt war. Im Beisein des Senators Herz wurden am 30. April 1819 zwei Pfeiler des Galgens abgenommen, während der letzte Mauerpfeiler erst kurz nach 1830 verschwand.
Dicht am Bahneinschnitt (6 Ruten abseits) und ebenfalls auf dem Galgenberg wurde 1830 der neuerbaute Pulverschuppen von der Garnison und Kaufmannschaft mit ihren sehr empfindlichen Vorräten bezogen. Das Tabakrauchen auf der Schwedter Straße, was übrigens damals in der ganzen Stadt außerhalb der Wohnhäuser und auf den Straßen verboten war, wurde hier besonders schwer geahndet.

Eine Verlegung der Pulvervorräte vom Pulverturm an der Stadtmauer wurde wegen Gefährdung der Stadt zu einer neuen Stelle notwendig. Man hatte als solche eine auf dem Galgenberg erwählt, wo der Magistrat 1829/30 einen dreiteiligen Schuppen für 505 Taler errichtete, der am 4. Mai 1830 mit den städtischen Pulvervorräten belegt wurde. Je eine Kammer erhielten das Füselierbataillon, das Landwehrbataillon und die Kaufmannschaft. Das Wachlokal wurde im St. Georgshospital eingerichtet, und der Militärfiskus mußte für die Wachstube 12 Taler Miete zahlen, während für den Schuppen 10 Taler angerechnet wurden. Neben dem Schuppen standen das Schilderhaus und ein Militärposten. Jeder Kaufmann durfte bis 5 Zentner Pulver lagern. 1932 wollte die Militärverwaltung das Wachlokal und den Posten einziehen, da sie wegen der isolierten Lage, der Umzäunung, Umwallung und sonstigen Sicherungen nicht notwendig seien. In Wirklichkeit wollte man aber die Mietsgelder von 12 bzw. 10 Talern einsparen, wogegen der Magistrat aus guten Gründen und mit Erfolg Stellung nahm. Wegen der Miete von 10 Talern für den Schuppen kam es 1839 wiederum zu Verhandlungen zwischen dem Magistrat und dem Fiskus, der jetzt eigene "Pulverkästen" bauen wollte. Auch hierbei erreichte die Stadt, daß alles beim Alten blieb. Durch den Bau der Bahn wurde unter dem 31. August 1861 die Stadt zur Verlegung des Schuppens von der Regierung aufgefordert. Nach Zahlung von 900 Talern Entschädigung durch die Reichsbahndirektion Stettin an die Stadt, verlegte man 1862 den Schuppen in die Friedhofstraße, wozu der Militärfiskus den Platz für 300 Taler erwarb und der Magistrat unter der Bedingung baute, daß der Fiskus für alle Zeiten auf irgendwelche Entschädigung verzichtete und jährlich 25 Taler Miete entrichtete. Bezogen wurde der neue Schuppen am 1. November 1862, dessen Neuaufbau 323 Taler gekostet hatte. Wegen Blitzschlaggefahr wurden 1863 die eisernen Schlüssel und Türbeschläge durch solche aus Messing ersetzt.

Noch deutlich sichtbar zwischen Straße und Galgenberg ist der künstliche Einschnitt in das alte Hügelgelände des Galgenberges. Hier befand sich die städtische große Lehmgrube, die laut Bekanntmachung vom 17. Januar 1885 als solche stark beansprucht wurde und deren Ostböschung bis an die Grabstellen der Hingerichteten und Selbstmörder heranreicht. Im Volksmund bezeichnet man noch heute die alte Lehmentnahme " Fülles Koppel ", nach dem landwirtschaftlichen Wirtschafter Fülle, der nach dem 1. Weltkrieg gegenüber in Schirmershof wohnte und hier eine Viehkoppel angelegt hatte.


Quellen:
• Adreßbücher der Stadt Prenzlau in mehreren Jahrgängen
• Stadtpläne der Stadt Prenzlau und Umgegend aus mehreren Jahren
• "Die Prenzlauer Straßen und ihre Geschichte", Alfred Hinrichs, maschinenschriftliche Aufzeichnungen, 1954
• "Pulverschuppen am Galgenberg", E. Ziemendorf, Heimatkalender 1933