Baustraße

Der erste Name dieser Straße war um 1300 Ausrufer- oder Heroldstraße, der verschiedentlich auch der Vincentstraße zugeschrieben wurde. 1420 wird sie als Beuerstraße bezeichnet. Im 16. Jh. wird nun erstmalig der Name Baustraße urkundlich erwähnt, der sich bis zum 29. Dezember 1950 durch die Jahrhunderte hindurch erhielt.






1905 bezeichnet man den 835 m langen Straßenzug vom Stettiner- bis zum Schwedter Tor durchweg als Baustraße, während man vordem nur den Teil Stettiner Tor - Vincentstraße darunter verstand. Den südlichen Teil von der Vincentstraße oder Roßstraße an, nannte man Pfaffenteich (nach Euchler 1722) oder Papendiek (bereits 1648). Im Volksmund blieb der Name Papendiek bestehen und man meinte damit die etwa 150 m lange Strecke vom Rondesteig bis zum Haus Bertuch.

Die Bedeutung des Namens Papendiek ist nicht einwandfrei festzustellen. Einige Forscher deuten ihn als Pfaffensteig, da er der kürzeste und wohl immer begangene Weg war, der vom Dominikanerkloster zur St. Johanniskirche (Korbstraße) führte, in der die Schwarzen Mönche predigten. Andere wiederum sagen, es müsse Pfaffenteich heißen wegen eines Tümpels, der einstmals an dieser Straße gelegen hat. Letzte Deutung scheint nach den Feststellungen die gemacht wurden, der Wahrheit am nächsten zu kommen, denn beim Neubau des Hauses an der Ecke der Vincentstraße stieß man 1953 auf eine größere Geländesenke mit jaucheähnlichen Ablagerungen, die berührten und aufgeschütteten Boden aufwies und dadurch die Fundamentierungsarbeiten erschwerte. Vielleicht ist dies nun die Stelle, an der einstmals das Wasserloch gelegen war, das den Namen Pfaffenteich führte und den man dann auf die ganze südliche Baustraßenstrecke übertrug.

Die gesamte Baustraße war ausschließlich die Hauptwohnstätte der hiesigen Landwirtschaft. Sie war 1630 in der Nähe der Korbstraße eine gewaltige Mistpfütze. Nur die Straßenmitte war mit gewaltigen Findlingen gepflastert, und zwischen diesem Pflaster und den Vorderfronten der Häuser zogen sich die Dungstätten und Schweineställe entlang. Der Schmutz und die Mistanhäufungen nahmen im Verlauf der Zeit so überhand, daß sich der Magistrat 1760 speziell und sehr intensiv mit dieser Gegend befassen mußte.

Bei einer Studienreise nach Prenzlau 1834 schlug Schinkel neben der Ausgestaltung des Stadtparks dem Magistrat vor, mitten in der Straße einen baumbepflanzten Grünstreifen und auf beiden Seiten desselben die Fahrbahnen anzulegen.

1880 befanden sich in dieser Straße 87 Häuser und zwar die Nummern 273-279, 280/83, 284-300, 301a, 301b, 302-307, 308/11, 312-319, 320/21, 322-329, 344-345, 346/348, 349-358, 359a,b,c, 360-370, 370a, 384-391, 1892 – 89 Häuser: Nr. 273-280, 284-295, 295a, 296-307, 308/11, 312-319, 320/21, 322-329, 344-345, 346/48, 349-358, 359a,b,c,d, 360-371, 371a, 383-391 und 1938 – 89 Häuser Nr. 273-280, 284-295, 295a,b,c, 296-299,b, 301-307, 308/11, 312-319, 320/21, 322, 323/24, 325-329, 345, 346/48, 349-358, 359a,b,c,d, 360-370, 371a, 383-391.

Zwischen den Grundstücken 295 und 296 lag eine zum Jakobikirch-Grundstück führende Gasse mit dem Namen An der Jakobikirche. Sie hieß früher "Die Helle" oder 1848 "In der Hölle".

Als der Friedhof um die St. Jakobikirche herum nicht mehr für die Beerdigungen ausreichte, wurde 1620, etwa zwischen dem Grundstück Nr. 312 und der Stadtmauer bis ans Blindower Tor heran, ein neuer Friedhof angelegt. Am Torweg zu diesem Gottesacker waren folgende Reime angebracht:

[ALIGN=center]Ach Gott du bist allein gerecht,
Hier liegt der Herre und sein Knecht;
Ihr Welweisen tret´ herbei
Und sagt, wer Herr oder Knecht sei.[/ALIGN]

Hier ließ 1638 der kaiserliche Oberstleutnant Villa Lobes gegen die anrückenden Schweden Schanzen aufwerfen, wobei auf die in der Erde Ruhenden absolut keine Rücksicht genommen wurde und deren Skeletteile dabei stark zerstreut wurden.

Bei Erdarbeiten im Mai 1953 fand man auf dem Grundstück Nr. 308/11 dicht unter der Oberfläche erhebliche Mengen zerstreut liegender Gebeine, auch ganze Skelette in normaler Begräbnistiefe und hat nun in Verbindung mit früheren Funden, die bei Bauarbeiten auf dem Grundstück Wilhelmstraße 245 gemacht wurden die Gewißheit, daß sich der "neue Jakobifriedhof" nicht außerhalb der Stadt, wie verschiedentlich bisher angenommen wurde, sondern zwischen dem Stettiner Tor und der St. Jakobikirche befand.

Auch der städtische Kalkofen lag hier in der Nähe und innerhalb der Umwallung. Auf dem Grundstück 299b (Malzfabrik) brannten am 14. Juli 1593 die Kalk- und Ziegelscheunen des Magistrats ab. 1596 wurde dann der Stadthof an diese Stelle verlegt, der seinen Zugang von der Mauerstraße hatte. Hier wohnten auch der Marktmeister und 2 Wagenknechte, jedoch waren um 1740 deren Wohnhäuser wieder wüst. Zu diesem Stadt- oder Bauhof gehörten 1596 71/2 Hufen Land, die im Verlaufe des 30 jährigen Krieges "von Händen kamen" und deren Lage und Verbleib später nicht mehr ermittelt werden konnte. 1743 hatte aber die Kämmerei diesen Platz noch weiterhin in Benutzung zur Unterbringung der städtischen Pferde, Wagen, Stroh und Baumaterialien, verlegte ihn dann später aber zur Wallgasse (Korbstraße).

Zur Orientierung über die Marktverhältnisse stand am Beginn der Baustraße und dicht am Stettiner Tor vor 1740 ein mannshoher Pfahl, auf dem vermerkt wurde, wo die in die Stadt eingeführte Ware verkauft werden durfte. Einen gleichen Marktwegweiser hatte man auch auf der Neustadt am Ravitgraben aufgestellt.

Das Torkontrolleurhaus war bis Ende 1850 das Grundstück Nr. 301 (Grünhaldt), das wegen Baufälligkeit damals nicht mehr seinen Zweck erfüllen konnte. Ein Neubau 1859/60, jetzt außerhalb der Mauer liegend, nahm dann in dem Haus Stettiner Straße 1 die Stadtverwaltung auf, war 1938 im Besitz der Hauptgenossenschaft Kurmark und brannte 1945 aus.

Gegenüber von Nr. 301 und auf dem Grabowschen Gelände (Nr. 299b) hatte die Stadt ihr Tor-Wachhaus. Nach dessen Abriß 1858 entstanden dann die Malzfabrik und das daneben liegende Wohngebäude.

Das viel und gern besuchte Lichtspieltheater "Deli" beherbergte das Haus Nr. 305 von 1938 bis 1945.

Kino "Deli" (Deutsche Lichtspiele) - Nov. 1943

Das Ritterschaftsgebäude bestand früher aus vier Einzelhäusern, deren Abbruchsausschreibung 1856 erfolgte. Bald darauf errichtete dann die Uckermärkische Ritterschafts-Direktion das zusammenhängende Massive Haus Nr. 308/11.



Den Eingang zur Korbstraße füllte die bereits 1311 erwähnte St. Johanniskirche aus, die einen hohen Spitzturm hatte, jedoch keine selbständige Pfarrkirche darstellte. Der Predigerdienst wurde von den Schwarzen Mönchen des Dominikanerklosters durchgeführt, und die letzte Innenrenovierung des Gotteshauses erfolgte 1516. Nach Einführung der Reformation, die sich hier 1543 vollzog, wurde die Kirche nicht mehr für kirchliche Zwecke in Anspruch genommen, sie lag 1566 bereits wüst und ist in diesem Jahr zum Guß der großen Glocke der St. Marienkirche benutzt worden. Auch als Geschützgießerei mußte die Ruine noch 1627 herhalten, kam dann aber 1735 zum restlichen Abbruch.

Besitznachfolger dieser Kirchenstelle wurde der Landmesser Schwadtke, Martin. Aus Mitteln des Heiliggeist- und Gasthaushospitals wurde das Grundstück 344a im Jahr 1749 für 600 Taler angekauft, ein neues Haus errichtet und als "Magistratswitwenhaus" für 4 Familien hergestellt. Neben den Magistratswitwen fanden hier auch Witwen von unter städtischem Patronat stehenden Geistlichen Aufnahme, wodurch auch der Name "Predigerwitwenhaus" gebräuchlich wurde. Zwecks Anlegung der Korbstraße machte sich der Abbruch des Hauses erforderlich. Nachdem durch Abfindung der Hospitäler die Stadt Eigentümerin geworden war, wurde dieser Abbruch 1913 durchgeführt. Die zum Grundstück gehörigen drei Acker- und Wiesenparzellen blieben im Besitz der Hospitäler.

Das benachbarte Grundstück Nr. 345, in dem die Edeka ihre Büro- und Lagerräume hatte, machte im Anfang des 20. Jh. viel von sich reden. Hier wohnte der Getreidekaufmann Helft, der unter Hinterlassung von 600.000 Mark Schulden noch 1904 flüchtig wurde. Gläubiger waren Groß- und Kleinlandwirte der nächsten Umgebung Prenzlaus. In der Zwangsversteigerung am 20. April 1904 erwarb dann für 40.100 Mark der Rentier Siebert das Haus als einzigen, zurückgebliebenen Wertgegenstand der gesamten Konkursmasse.

An der Stelle des heutigen Kreisgerichtes stand früher das städtische Bauhofsgebäude (Nr. 347), das 1852 dem Justizfiskus für 5.000 Taler überlassen und abgerissen wurde. Die Einweihungsfeierlichkeiten des neuen Kreisgerichts-Gebäudes, zu dessen Bau die Stadt einen Zuschuß von 25.000 Talern leistete, fanden am 8. September 1858 statt. Vorher waren noch die Häuser Nr. 346 und 348 angekauft worden. Bezogen wurde es erst am 1. Oktober 1859. Eine Brandkatastrophe am 21. August 1895 vernichtete den gesamten Dachstuhl des Gerichtsgefängnisses, auf dessen Hof 1896 die letzte Hinrichtung an dem Mörderpaar Geschwister Springstein stattfand. Nachdem aus dem Kriegsgericht von 1858 dann ein Amts- und Landgericht geworden war, führte es nach rd. 100 Jahren seit 1952 wieder den Namen Kreisgericht .



Eine wechselvolle Vergangenheit hat das Grundstück Nr. 388, das seit dem 30 jähr. Krieg im Eigentum der Ritterschaft war. Ab 1817 wurde es das Verwaltungsgebäude des Kreises und 1838 "für ewige Zeiten" den Prenzlauer Kreisständen (Uckermark) von der Ritterschaft eigentümlich überlassen. Erst 1880 ging es nach Abfindung der Kreise Angermünde und Templin, den bisherigen Miteigentümern, in den Alleinbesitz des Prenzlauer Kreises über. Nachdem es bereits seit 1838 baufällig und für Verwaltungszwecke zu klein geworden war, kam man erst 1884 zum Neubau des Landhauses in der Stettiner Straße und zur Verlegung der Kreisbehörde. Ab 1. April 1889 wurde dann die Stadt Besitzerin des Hauses, ließ es anfangs für Wohn-, Büro- und Lagerzwecke nutzen, um es am 1. April 1892 an die Garnisonverwaltung zu vermieten, die es vom 1. Oktober 1893 bis 1. April 1897 als Kaserne innehatte. Nachfolgend wieder Wohn- und Gewerbezwecken zugeführt, wurde es 1901 als "Baustraßenschule" der Kindererziehung zur Verfügung gestellt, und nach der Inflation wieder ausschließlich Wohnhaus.



Ein öffentlicher Brunnen befand sich seit langer Zeit (mindestens seit 1884) vor dem Eckhaus Nr. 284 bis in unser Jahrhundert hinein.

Eine Neupflasterung des sehr holprigen Straßenteils vom Stettiner Tor bis zur Wilhelmstraße nahm man im Sommer 1868 vor.

Die Kanalisation des gesamten Straßenzuges Baustraße wurde 1916/17 durchgeführt.
Durch Kriegseinwirkungen brannten 1945 mit wenigen Ausnahmen alle Grundstücke restlos ab.

Ab 1951 wurde sie zusammen mit der Stettiner Straße in Leninstraße (Bekanntmachung vom 7. März 1951) umbenannt.


Quellen:
• Adreßbücher der Stadt Prenzlau in mehreren Jahrgängen
• Stadtpläne der Stadt Prenzlau und Umgegend aus mehreren Jahren
• "Die Prenzlauer Straßen und ihre Geschichte", Alfred Hinrichs, maschinenschriftliche Aufzeichnungen, 1954